01.06.2020

Miteinander streiten - aber richtig

Irgendwann kommt fast jede Diskussion an einen Punkt, wo man nicht mehr weiterkommt“, schreibt Hauke Burgarth in einem Text unter dem Titel Miteinander reden - gerade, wenn es nicht leicht ist und er rät, sich darin zu üben, den Punkt zu erkennen, an dem es darum geht, vorerst mal einen Schlussstrich zu ziehen. Nicht um ein Gespräch, eine Auseinandersetzung oder angeregte Diskussion damit endgültig zu beenden, sondern um sie bei einer nächsten Gelegenheit fortzusetzen. Das ist natürlich oft leichter gesagt als getan. Vor allem setzt es voraus, dass zumindest einer der beiden Streit- oder Gesprächspartner sich noch in der Hand hat und in der Lage ist, alles nüchtern zu überblicken. Wenn das nicht der Fall ist, wird es schwierig. Denn wenn in einer Ehe oder Familie die Liebe untereinander in guten Zeiten auch noch so groß ist, manchmal kracht es eben. Das ist in fast allen Konstellationen des Zusammenlebens so, bei fast jedem Ehepaar, in fast jeder Familie. Streit ist zwar nicht schön, muss aber auch nicht zwangsläufig in Zerstörung, seelischen Verletzungen oder lieblosen Trennungen enden, vorausgesetzt wir wissen, wie man auch konstruktiv miteinander sprechen und streiten kann. Wo das der Fall ist, kann Konfliktbewältigung eine Beziehung sogar stärken.

Sarkasmus und Respektlosigkeit

Diese beiden Verhaltensweisen bringen nur Zerstörung mit sich. Der Schutzwall, den jemand durch Sarkasmus und Respektlosigkeit um sich aufbaut, zerstört, verletzt und unterminiert sogar jedes liebevolle Miteinander nach einem Streit. Deshalb ist es wichtig, dass Ehepartner darauf achten, dass Sarkasmus und Respektlosigkeit möglichst nie zum Einsatz kommen. 

Viel klüger ist es, wenn wir lernen, ein paar wichtige Regeln zu beachten, um Situationen, in denen es zur Auseinandersetzung kommt, gut zu bestehen. In erster Linie geht es darum, dass wir uns selbst besser kennen, nüchtern und selbstkritisch sind. Gehören wir zu den Menschen, die Gefühle gern unterdrücken, oder Emotionen ungefiltert hinausschreien? Beides ist in einer Ehe oder Familienbeziehung nicht gut. Deshalb ist es wichtig, dass wir lernen, uns selbst richtig einzuschätzen und beginnen, an Verhaltensweisen zu arbeiten, die früher oder später zu großen Problemen führen.

Was ärgert mich? Was macht mich wütend?

Diese Fragen sollten wir uns stellen und auch ehrlich beantworten. Wie reagiere ich z. B., wenn jemand vor mir zu langsam fährt? Wenn mein Mann zum fünften oder zehnten Mal die gleichen Dinge tut, bei denen ich schon öfter angesprochen haben, dass sie mich ärgern? Möchte ich ihm jetzt am liebsten sofort die Meinung sagen? Oder bin ich jener Charakter, der zwar imstande ist, sich selbst zu beherrschen, der innerlich aber dennoch nicht davon loskommt, sodass ich mit der Zeit damit beginne, eine Strichliste zu führen, in der ich festhalte, was mir alles nicht passt, bis der Tag kommt, an dem mir dann „der Kragen platzt“? Was immer Sie jetzt darauf antworten und wo immer Sie sich sehen; beides ist nicht gut für eine Ehe oder die Harmonie in einer Familie. Denn beides zeigt nur, dass es Ihnen noch nicht gelingt, konstruktiv mit Herausforderungen umzugehen. Selbstbeherrschung ist zwar gut, aber die Problematik muss dennoch früher oder später angesprochen und gelöst werden, selbst wenn das in eine Auseinandersetzung mündet. Das ist immer noch besser, als wenn sie zur Trennung führt.

Wut und Aggression mögen für viele Menschen wie eine notwenige Antriebskraft sein, um etwas aus sich herauszuholen; aber beides ist nicht gut, wenn es darum geht, Konflikte zu lösen. Denn beides zerstört oft viel mehr, als es gut macht. In Situationen der Wut handelt ein Mensch nicht rational und verwendet oft auch Ausdrücke oder sagt Dinge, die er später bereut oder gern ungeschehen machen würde, wofür es dann aber zu spät ist. Besser ist, sich zurückzunehmen und Ärger und Wut erst gar nicht aufkommen zu lassen. Wer komplexe Sachverhalte anpacken oder Probleme lösen will, geht ohnehin am besten mit klarem Verstand und ruhig an die Sache heran, das weiß jeder. 

Wo das nicht möglich ist, sollte man bei jeder Auseinandersetzung zumindest auf die richtige Wortwahl achten. Das ist leichter gesagt als getan. Aber auch das lässt sich lernen. Im Grunde geht es darum, dass Menschen gemeinsam trainieren, die Worte des anderen richtig einzuordnen. Wie hilfreich ist es doch, wenn Ehepartner von sich sagen können: „Ach, das meint er nicht so!“ oder „Das klingt morgen schon wieder ganz anders!“ Solche Sätze zeigen die Art von Großherzigkeit, ohne die es leider nicht geht. Dass diese Form der Großherzigkeit sich in einem Herzen bilden kann, setzt freilich voraus, dass jemand bereit dazu ist. Aber es ist letztlich das Einzige, was uns bleibt, wenn alles andere nicht greift. Menschen, die zu dieser Form der Großherzigkeit fähig geworden sind, bewirken oft mehr Gutes als viele andere. Wenn Jesus uns auffordert, „den anderen zu ertragen“, „Gutes zu tun“ oder „dem Frieden nachzujagen“, meint er wahrscheinlich genau das. Dahinter steht die Erwartung, dass eine solche Großherzigkeit früher oder später immer wieder Gutes im andern bewirkt.

Am deutlichsten wird das in der Forderung Jesu: „Du sollst deine Feinde lieben!“ Das wäre dann die Königsdisziplin der Großherzigkeit. Wir wissen, wie schwierig sie ist. Jesus stellt sie dennoch als Herausforderung vor uns. Warum? Offensichtlich deshalb, weil er weiß, was in der für uns unsichtbaren Welt dadurch in Bewegung kommt. Wir wissen es ja zumeist nicht, sondern können nur daran glauben, dass all das nicht umsonst sein wird. Deshalb bleibt uns nichts anderes übrig, als daran zu glauben. Aber es gibt auch Beispiele, wo das Gute, das dadurch bewirkt wird, für uns direkt sichtbar wird, wenn auch selten.

Worte gehören zu den am meisten verletzenden Waffen, das gilt vor allem für Ehepartner, die sich gut kennen. Sie wissen, wo sie den anderen treffen und zutiefst verletzen können. Auch hier gilt das Gebot Jesu, den anderen zu lieben und großherzig zu sein. Lernen wir also mit solchen Situationen umzugehen! Und vielleicht können wir früher oder später erleben, was es bewirkt. Sicher wäre es schön, wenn wir dem, der es gewohnt ist, mit Worten zu verletzen, sagen könnten, dass er doch gefälligst mal lernen soll, damit aufzuhören. Die Erfahrung zeigt nur, dass es sehr oft nur ein frommer Wunsch bleibt. Auch wenn Ihr Partner weiß, dass Sie sich an verletzende Worte und schmerzhafte Sätze viel länger erinnern, als ihm vielleicht lieb ist, wird er sie in seinem Ärger wahrscheinlich immer wieder sagen, obwohl ihm schon längst bewusst ist, wie sehr derlei  Worte das Vertrauen und vor allem die Intimität zerstören können. Deshalb bleibt letztlich vielfach nur der „Weg Jesu“, der uns sagt, „tut Gutes“, „ertragt einander“ und „vergebt, damit auch euch vergeben werden kann.“ In der Hoffnung, dass Gott Gutes daraus macht, wenn nicht heute, dann morgen.

Versteckten Problemen auf den Grund gehen

Wenn Paare streiten, reden sie oft nicht von dem, worum es wirklich geht, sondern ziehen stattdessen alles andere hervor. Daran zeigt sich, dass sich hinter einem lapidaren Problem manchmal auch etwas ganz anderes verbirgt, z. B. dass sich einer der Ehepartner vielleicht nicht respektiert oder geachtet fühlt, wenn Entscheidungen ohne ihn getroffen werden.

Dann geht es eigentlich nicht um die Streitfrage, sondern um etwas ganz anderes. Was ist der wahre Hintergrund eines Streits? Genau das gilt es herauszufinden. Was ist es, was den anderen verletzt? Wenn es gelingt, das eigentliche Problem in einem Streitgespräch zu identifizieren, haben wir schon viel gewonnen. Dann können wir dafür vielleicht eine Lösung finden und die Ursache eines ganzen Konfliktfeldes beseitigen. Das wäre der beste Weg, um wieder Harmonie und Friede in die Beziehung zu bringen.

Vergeben, Großherzigkeit und Gnade

Wir wissen alle, keiner von uns ist perfekt, deshalb sind Großherzigkeit, Vergebung und Gnade letztlich unabdingbare Herzenshaltungen, um Harmonie und Friede in Ehe und Familie zu bringen. Das Problem daran ist, dass jeder dazu beitragen müsste - und das geschieht leider oft nicht. Dennoch gilt, dass einander zu verzeihen, alte Verfehlungen, Wunden oder falsche Worte nicht immer wieder neu hervorzuholen und so oft wie möglich miteinander zu sprechen, immer noch die Wege sind, die uns in Ehe und Familie weiterbringen. Vor allem, wenn wir über alles auch mit Gott im Gebet reden und ihn darum bitten, dass er uns hilft, die Probleme zu lösen. Wir dürfen Gott um Weisheit, Geduld und um Liebe für den anderen bitten. Gott hilft gern, wenn wir im Gebet zu ihm kommen.

 

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