01.01.2020

Nadeshdas Leben hat sich durch Weihnachten im Schuhkarton verändert

150.000 liebevoll verpackte Schuhkartons

Nic, ein Mitarbeiter von „Operation Christmas Child“ (Weihnachten im Schuhkarton) holt unser Fernsehteam vom Hotel in Minsk ab. Er wird als Übersetzer fungieren, der findet Dreh auf Englisch statt. Nic war fast von Anfang an dabei, als „Weihnachten im Schuhkarton“ in den 90er Jahren seine Mission in Weißrussland aufgenommen hat. Dieses Jahr sind es 150.000 verpackte Schuhkartons aus dem deutschsprachigen Raum, die in Weißrussland verteilt werden. In den Kartons befinden sich Spielsachen, Süßigkeiten und Hygieneartikel.

Die Organisation „Geschenke der Hoffnung“ arbeitet mit Partnern vor Ort zusammen. Diese planen die Verteilungen und entscheiden, wie das Rahmenprogramm aussieht. In Nadeshdas Fall hat eine Kirchengemeinde die Verteilung vorgenommen. Neben den Geschenken hat auch die Weihnachtsgeschichte eine große Rolle gespielt. Das ist aber nicht immer so. Auf der Reise, an der ich jetzt teilnehme, findet eine Geschenkeverteilung in einem staatlichen Kinderheim statt. Hier wird es keine Weihnachtsbotschaft geben. Das scheint für alle Beteiligten in Ordnung zu sein. Priorität sei, dass Kinder beschenkt werden.

Die Zielgruppe der Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“ sind Kinder in Armut. Armut definiert die Organisation „Geschenke der Hoffnung“ entweder als finanzielle oder als emotionale Armut. Nadeshda Tsymbalist gehörte zu beiden  Kategorien, erzählt sie mir im Interview. Sie hatte als Kind zwar ein Dach über dem Kopf, aber ihre Familie konnte sich wenig leisten: „Süßigkeiten gab es nie“. Das ist unvorstellbar für mich. Der Süßigkeitenverzicht war für Nadeshda bei Weitem nicht das Schlimmste. Sie braucht ein bisschen Zeit, bevor sie über die schlimmen Erlebnisse ihrer Kindheit spricht.

Ihre Eltern waren alkoholabhängig. „Ich bin nachts oft wachgeworden. Ich habe gehört, wie meine Eltern geschrien haben. Es war vielleicht 1 Uhr nachts. Sie haben Gegenstände genommen und sich gegenseitig geschlagen. Ich habe versucht Hilfe zu bekommen – bei Nachbarn oder der Polizei.“ Zu oft wollte sie aber auf die Situation Zuhause auch nicht aufmerksam machen. Sonst könnte das Jugendamt eines Tages vor der Tür stehen. Als Kind wollte Nadeshda zu ihrer Oma ziehen. Zu ihrer Oma, die draußen auf dem Dorf gewohnt hat. Die mit ihr zur Kirche gegangen ist. Die weit weg war von der Hölle, die Nadeshda Zuhause erlebt hat.

Am Zufluchtsort mit einer blauen Tube Zahnpasta

In einem Dorf bei Minsk. Nadeshda begleitet unser Team zu einer Geschenkeverteilung. Sie verteilt ebenfalls Weihnachtspakete an die Kinder. Bevor Nadeshda den einzelnen Kindern einen Schuhkarton überreicht, sagt sie: „Wisst ihr, das hier ist mehr als ein Geschenk.“

Vor der Verteilung erzählt Nadeshda mir, wie sie selbst vor 19 Jahren einen Schuhkarton bekommen hat. „Ich weiß noch ganz genau, was in dem Karton drin war. Eine Milka-Schokolade, eine blaue Tube Zahnpasta, Stifte. Alles war neu und von guter Qualität.“ Für sie war bereits beim Auspacken klar: Sie will ab jetzt regelmäßig zur Sonntagsschule der Kirchengemeinde gehen. Der Ort tat ihr gut, er wurde ihre Zuflucht, wenn Zuhause alles drunter und drüber ging. Denn in der Kirche lernte Nadeshda Menschen kennen, die ihr Halt gaben. Die sie geliebt und angenommen haben.

Eine gemeinsame Mission

Wieder sitze ich im Flugzeug. Ich habe Zeit, meine Eindrücke zu verarbeiten und die Erlebnisse Revue passieren zu lassen. Im Vordergrund der Reise stand die Aktion „Weihnachten im Schuhkarton“. Ein Projekt, das Kinder beschenkt und verändert – das habe ich erlebt. Dieses Projekt hat uns alle zusammengeführt: Die Mitarbeiter von „Geschenke der Hoffnung“, die Journalistinnen und Drehteams, die weißrussischen Partner. Alle waren sich in diesem Punkt einig: Kinder sind es wert, beschenkt zu werden.

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